Appell zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes
Die Stadt Lübeck beabsichtigt, den Flächennutzungsplan von 1990 zukunftsorientiert neu aufzustellen. Seitens der Verwaltung wurde in den vergangenen Monaten hierzu intensive Vorarbeit geleistet – einschließlich der Beteiligung der Bürger:innen und der Fachöffentlichkeit. Auch durch das ArchitekturForumLübeck wurde im September 2021 eine Stellungnahme zu den von der Verwaltung entwickelten vier Szenarien verfasst. Für uns steht außer Frage, dass nur mit einer radikalen Neuausrichtung in Anlehnung an „Szenario D“ klimagerechte und zukunftsorientierte Entwicklung möglich ist. Die Mehrheit der Bürgerschaft sieht das offenbar anders.
Im März 2022 haben wir an die Fraktionen appelliert, den Beschluss zu Flächennutzungsplan und Verkehrsentwicklungsplan in der Bürgerschaft zu vertagen. Dieser Aufforderung wurde nachgekommen und man hat sich seitens CDU und SPD bereit erklärt, einen fachlichen Diskurs mit dem ArchitekturForum zu führen. Eine darüberhinausgehende öffentliche Stellungnahme oder Erklärung zur Beschlussvorlage von SPD und CDU ist jedoch nicht erfolgt. Es ist zudem nicht absehbar, dass die Beschlussvorlage bis zum voraussichtlichen Beschluss in der Bürgerschaft am kommenden Donnerstag verändert wird.
Flächenversiegelung und Klimaschutz
Den Empfehlungen der Verwaltung bei der Neuversiegelung von Flächen für Wohnen und Gewerbe wird in der Vorlage von SPD und CDU in wesentlichen Punkten nicht gefolgt. Eine Begründung für das Abweichen von den Empfehlungen fehlt.
SPD und CDU planen eine deutlich größere Bodenversiegelung gegenüber den Vorschlägen der Verwaltung. Der Kausalkette „Versiegelung = Steuereinnahmen = Geld für Klimaschutz“ können wir nicht folgen. Einen Nachweis dafür bleibt Politik zudem hier schuldig. Die Verwendung von Netto- statt Bruttoflächen bei der Ausweisung von Bauflächen ist zudem unnötige Schönfärberei und sorgt für Verwirrung.
Verkehrsentwicklungsplan
Die in der Vorlage von der SPD und CDU benannten Modal Split-Zielwerte sind weit entfernt von Zielen einer echten Mobilitätswende. Förderung des Fußgängerverkehrs und ein nennenswerter ÖPNV-Ausbau sind gemäß Vorschlag von SPD und CDU bis 2040 nicht vorgesehen. Die Interpretation von einer „E-Mobilität als Teil des Umweltverbundes“ ist unseres Erachtens reines Greenwashing des motorisierten Individualverkehrs.
Innenentwicklung vor Außenentwicklung
Der Vorschlag der Verwaltung sieht vor, Innenentwicklung zu bevorzugen. Das entspricht auch den Vorgaben des Baugesetzbuches. Der Antrag der SPD und CDU sieht vor, Entwicklung von Bauflächen im Außenbereich gleichrangig zu betreiben. Diese wesentliche Änderung der Beschlussvorlage halten wir für rückwärtsgerichtet und falsch.
Bürger:innenbeteiligung
Die Ergebnisse der umfangreichen Bürgerbeteiligung werden offenbar seitens der Politik ignoriert. Dass eine Beteiligung nicht repräsentativ sein kann, liegt in der Natur der Sache – aber welches Signal geht davon in Richtung der Bürgerinnen und Bürger aus? Ergeben derartig aufwändige und hochqualifizierte Formate künftig noch Sinn? Politik muss den Ergebnissen nicht zwingend folgen. Aber: da haben die engagierten Bürgerinnen und Bürger (und auch die Verwaltung) mehr Beachtung und Achtung verdient.
Kein „Weiter so!“
Auch wenn z.B. die Flächenversiegelung nicht unmittelbar umgesetzt wird, stellen die formulierten Zielvorgaben für 2040 doch ein klares Signal dar: weiter so! Und: Bauen, Bauen, Bauen!
Wir müssen Quartiere entwickeln, die in integrierten Lagen mit einer intelligenten Verkehrsinfrastruktur klimafreundlich an jetzige und zukünftige Anforderungen angepasst sind und die unsere Stadt zukunftsfest machen. Dem Leitbild der doppelten Innenentwicklung, bei der parallel urbanes Grün aufgewertet, entwickelt und vernetzt wird, ist zu folgen. Die Beschlussvorlage von SPD und CDU benennt diese Ziele nicht.
Der Beschlussvorschlag von SPD und CDU lässt nach Einschätzung der Verwaltung erwarten, dass wesentliche Klimaschutzziele nicht erreicht werden können. Vor dem Hintergrund, dass die Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 den verbindlichen Rahmen für den FNP und VEP setzten und vor dem Hintergrund der Herausforderungen, vor denen wir als Gesellschaft sowohl in Bezug auf Klima und Umwelt als auch geopolitisch stehen, ist die Beschlussvorlage von SPD und CDU nicht angemessen.
Wir fordern die Bürgerschaftsmitglieder daher auf, die Beschlussvorlage von SPD und CDU abzulehnen.
Der Vorstand des ArchitekturForumLübeck im Mai 2022